Refugium Alte Kochschule, Temporärer Wohnraum für Menschen aus der Ukraine, Trollstrasse – Winterthur

Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 sind bis August rund 770 Menschen aus der Ukraine nach Winterthur geflüchtet. Viele Personen fanden bei Gastfamilien, auf dem Wohnungsmarkt oder in den vierzig Wohnungen, die die Stadt Winterthur angemietet hatte, eine Bleibe. Die Menschen, für die keine Wohnung gefunden werden konnte, leben in den beiden Gemeinschaftsunterkünften «Adlergarten» und «Teuchelweiher». Die Situation ist volatil und prekär, die Entwicklung kann nicht vorausgesehen werden. Mit der temporären Umnutzung der «Alten Kochschule» im Stadtzentrum von Winterthur haben wir dringend benötigten Wohnraum für knapp siebzig Personen geschaffen.


Unter grossem Zeitdruck mit einfachen Mitteln und beschränkten Möglichkeiten schutzsuchenden Menschen eine Behausung zu bieten, welche die Grundbedürfnisse Schlafen, Wohnen, Rückzug, Kochen, Essen und Hygiene abdeckt und dennoch einen Anspruch an Gestaltung hat – das war unsere Herausforderung und unser Antrieb.


Welche Rolle soll und kann Architektur bei einer solchen Bauaufgabe spielen? Wie gehen wir damit um, wenn Entwurf und Ausführung gleichzeitig stattfinden und Möbel bereits bestellt sind? 10 Wochen Zeit von Planungsstart bis Fertigstellung: Wie schaffen wir das?
Diese Fragen stellten sich uns nur ganz am Anfang des Entwurfs, denn schon bald spürten wir, dass wenn es die Not erfordert, eine wohlwollende und zielorientierte Zusammenarbeit aller Beteiligter entstehen kann.


Die Umnutzung folgt der Raumstruktur des stattlichen Hauses: Wohnraum für je vier bis acht Menschen in den neun Schulzimmern in den Obergeschossen, Kochen und Essen in der bestehenden Küche im Erdgeschoss, Duschen und Waschen in umfunktionierten Räumen im Tiefparterre.


Das war unsere Idee: Raumkammern, die wie Möbel frei in die ehemaligen Schulzimmer gestellt werden, gerade so gross, dass darin zwei Betten, ein Schiebeschrank und ein Regal Platz finden. Bewohnerinnen und Bewohner können ihre Betten je nach Bedarf als Doppel oder Kajüten-Betten anordnen. Ein Vorhang dient als Abtrennung zum Wohnbereich, der Schiebeschrank kann als Durchblickfenster genutzt werden. Die immer gleichen hölzernen Einbauten werden je nach Schulzimmergrösse verschieden gruppiert. Der mäandrierende Zwischenraum wird als Wohnraum genutzt: für Tisch, Kühlschrank und privates Schliessfach. Eine Raumfolge von Innen, Aussen und Dazwischen entsteht. Die Stimmung im Innern der hölzernen Raumkammern ist intim und bescheiden, aber atmosphärisch dicht und bildet einen wohnlichen Kontrast zum nüchternen Innenausbau aus den Neunzigerjahren.


Wir haben das Schulhaus innerhalb kurzer Zeit zum vorübergehenden Wohnen hergerichtet. Nun ziehen Menschen mit ihren für uns unvorstellbaren Geschichten ein. Die Umnutzung der Alten Kochschule schärfte unseren Blick für adäquate, sinnvolle und qualitative Lösungen bei temporären Bauaufgaben und verstärkte unser Empfinden für die Relevanz des Konkreten – egal ob zeitlich befristet oder dauerhaft. Immer mit der Hoffnung verbunden, dass diese Unterkunft bald obsolet würde und die Menschen eine dauerhafte Wohnmöglichkeit fänden.

Info

Projektnummer: 22-13
Baujahr:
 Planungsstart Juni 2022 / Bezug September 2022
Bauherrschaft: Stadt Winterthur, Departement Soziales
Architektur/Bauleitung: ARGE Hannes Jedele (Federführung) / Architekten-Kollektiv AG, Winterthur

Ausführende Unternehmer:
Holzbau: Zehnder Holz und Bau, Winterthur
Schreinerarbeiten Duschen: Harder Schreinerei AG, Winterthur
Elektroinstallationen: Heinz Schmid AG, Winterthur
HLK-Installationen, Bouygues, Winterthur
Malerarbeiten, Stahel & Co AG, Winterthur
Vorhänge: Isenzio AG, Baar
Reinigungen: Schiess AG Reinigungen, Winterthur
Bilder: Christian Schwager und Hannes Jedele, Winterthur


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