Sanierung und Umbau Schöntal III

Sanierung und Umbau Schöntal III

Siedlung
Die Siedlung Schöntal III ist ein überkommunal geschütztes Inventarobjekt und wurde 1930-34 vom Winterthurer Architekten Lebrecht Völki für die «Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser» (GEbW) gebaut. Sie besteht aus einem Gebäude an der Zürcherstrasse, zwei Gebäuden an der Oberen Schöntalstrasse und einem Gebäude an der Unteren Briggerstrasse. Heute gehören noch drei Häuser der «Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser».

Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser
Die «Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser» in Winterthur (GEbW) ist eine Aktiengesellschaft, deren Ziel es ist, in Winterthur günstigen Wohnraum zu schaffen. Die «Billige», wie sie volkstümlich kurz genannt wird, ist im Winterthurer Bürgertum entstanden und hat mit ihrer Bautätigkeit Winterthur an vielen Stellen mitgeprägt.

Architekt Lebrecht Völki
Johann Kaspar Lebrecht Völki (1879–1937) zählt zu den bedeutendsten Winterthurer Architekten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Völki war ab 1909 Teilhaber des Architekturbüros Bridler&Völki. Die beiden Architekten prägten besonders den Villenbau in Winterthur und konnten auch einige öffentliche Gebäude umsetzen.
Lebrecht Völki realisierte gemeinsam mit Otto Bridler das Krematorium im Friedhof Rosenberg (1909-10), das Schulhaus Heiligberg (1909-1912), das Kirchgemeindehaus an der Liebestrasse (1912-13) wie auch die Erweiterung des Stadthauses Winterthur (1932–1934).
Als sich Otto Bridler ganz auf seine Militärkarriere konzentrierte, führte Lebrecht Völki die Firma unter seinem eigenen Namen weiter und verlagerte seine Haupttätigkeit auf den genossenschaftlichen Wohnungsbau. Die architektonische Formensprache Lebrecht Völkis war stark von neubarocken Strömungen des Heimatstils und vom Neoklassizismus geprägt.
Ab 1920 strebte er vermehrt nach Sachlichkeit. Besonders die Wohnkolonien, insbesondere die Siedlung Schöntal III wurden nach den Ideen des Neuen Bauens verwirklicht. Lebrecht Völki war von 1911 bis zu seinem Tod 1937 Mitglied des Verwaltungsrates der GEbW und somit gleichzeitig Architekt wie Bauherrenvertreter.
Quelle: www.winterthur-glossar.ch/lebrecht-voelki

Neues Bauen
Die Siedlung Schöntal III ist eine der ersten Mehrfamilienhaus-Überbauungen der Nordostschweiz mit Flachdächern, ausgestattet mit Etagenheizungen und eigenen Badezimmern in jeder Wohnung. Die Nutzgartenanlage aus der Entstehungszeit ist noch weitgehend erhalten und gepflegt.
Die prägenden architektonischen Bauteile sind die Flachdächer mit dem knappen Dachvorsprung, die Balkone mit den horizontalen Eisengeländern, die Loggien mit den halbrunden Balkonen und die vertikalen, durchgehenden Treppenhausfenster. Während die Fassadengestaltung stark von der Formensprache der 30-er Jahre geprägt ist, sind die Wohnungsgrundrisse noch konventionell im Stil der Jahrhundertwende gestaltet.

Ausgangslage | Umbau
Seit der Bauzeit wurden an der Siedlung Schöntal III im letzen Viertel des 20. Jahrhunderts die damals üblichen Sanierungen von Bad und Küche, Aussendämmung und Fensterersatz ausgeführt, ohne besondere Rücksichtnahmen auf die historische Bausubstanz. Die Gebäude waren 2022 in einem altersgemäss schlechten Zustand und mussten deshalb grundlegend saniert werden.  Mit der seit 2020 geplanten und 2023 umgesetzten Gesamtsanierung sollen die drei Liegenschaften möglichst sanft aber umfassend saniert werden, damit sie für einen weiteren Lebenszyklus von 30 Jahren vermietet werden können. Weiterhin sollten günstige und attraktive Wohnungen vermietet werden können. Die 20 bestehenden Wohnungen wurden sanft, aber im Bereich der Küchen und Bäder mit einer baulich intensiven Grundrissoptimierung erneuert. Zudem wurden im bisher leerstehenden Estrich an der Oberen Schöntalstrasse zusätzlich 4 neue Wohnungen eingebaut. Die vier neuen Wohnungen erhielten auf dem Flachdach einen Aussenraum in Form einer Dachzinne, die einen Ausblick über die Dächer des Tössfeldes bietet. Die bestehenden Wohnungsgrundrisse erscheinen auf den ersten Blick aus heutiger Sicht kleinteilig, sind aber im Sinne einer nachhaltigen Wohnflächennutzung wieder zeitgemäss und attraktiv. Als struktureller Eingriff wurden die Küchen und Badezimmer wie erwähnt neu angeordnet, was den Bezug der Küche zu den Küchenbalkonen und Wohnräumen verbessert und so die Wohnqualität der gesamten Wohnungen aufwertet. Weiter wurden die Balkone zum Garten hin vergrössert, so dass sie heute auch als Aufenthaltsbalkone den Mieterinnen und Mieter zur Verfügung stehen. Die Erdgeschosswohnungen erhielten neu einen Balkon mit einem direkten Zugang  zum Garten. 

Gestaltung | Denkmalpflege
Das Sanierungskonzept für die Wohnhäuser Schöntal III der GEbW wurde von Beginn weg in enger Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege erarbeitet. So war es möglich, etliche gestalterisch ungeschickte Sanierungseingriffe aus  den  1990-er Jahren (wie beispielsweise die Balkongeländer, Küchen und Bäder) rückgängig zu machen und die Räume neu zu interpretieren. Die Küchen und Nasszellen der bestehenden Wohnungen wurden neu angeordnet und im Stil der 30-er Jahre neu gestaltet. Als Referenz wurden Küchen und Bäder aus der Bauzeit beigezogen (Frankfurter-Küche / Neues Bauen). Neu profitieren die kleinen Küchen von den strassenseitigen Balkonen. Die Wohnräume und Treppenhäuser waren noch weitgehend im originalem Zustand erhalten. Diese Räume wurden nur behutsam renoviert, farblich neu gestaltet und erhielten ihren ursprünglichen Charakter zurück. Gartenseitig wurden die Balkongeländer in ihrer Gestalt wieder der ursprünglichen Architektur der Siedlung angepasst.
Für den Ausbau der Dachwohnungen im ehemaligen Estrich wurden gartenseitig die kleinen Dachgeschossfenster vergrössert, strassenseitig wurden diese in ihrer Grösse beibehalten, damit die einheitliche Erscheinung der Hauptfassaden der Siedlung unverändert erhalten bleibt.

Aussenraum und Nutzgärten
Der Aussenraum mit den Nutzgärten ist ein prägendes Element dieser Siedlung und in dieser Form sonst nur noch selten in Winterthur erhalten und deshalb entsprechend denkmalpflegerisch geschützt. Durch die Erdsondenbohrungen, Regenwasserversickerungsanlagen und weiteren Bauarbeiten musste der Garten wieder neu angelegt werden. Die originalen Elemente der Einfassungen der Pflanzgärten wurden soweit wie möglich wieder eingebaut. Die ursprüngliche Struktur mit Pflanzgärten und Kieswegen wurde mit kleinen Anpassungen beibehalten, die Felder sind wieder Pflanzflächen, neu aber teilweise mit Sitzplätzen und Pergolas bestückt. Insbesondere der alte Kiesplatz hinter dem Wohnhaus an der Zürcherstrasse wurde mit Pflanzen und Sitzplätzen gestalterisch und ökologisch aufgewertet. Weiter wurden die heute erforderlichen Nutzelemente wie Velounterstände und Abfallentsorgungsanlagen in die Umgebung integriert.

Info

Projektnummer: 20-07
Planung:
 2020-22
Ausführung: 2023
Bauherrschaft: Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser GEbW, Winterthur
vertreten durch: Auwiesen Immobilien, Winterthur
Bauingenieur: Oberli Ingenieurbüro, Winterthur
E-planung: Edelmann Ingenieurb., Thalheim a.d.Thur
HLS-Planung: Planforum, W'thur
Bauphysik: Bakus Bauphyisk + Akustik, Zürich
Fotos: Christian Schwager, Winterthur | Architekten-Kollektiv

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